II
Die Konsistenz des Stückes erweist sich bereits unter räumlichem Aspekt. Es setzt im Mekka preußisch-militärischen Selbst- und Glücksverständnisses ein: im bestens ausgestatteten Ambiente »von A. Wormsers Uniformladen in Potsdam« (I,1). Homerisches Gelächter des Hauptmanns von Schlettow beim Anprobieren seiner neuen Uniform erfüllt den Laden. (Es ist die ihm einzig mögliche Ausdrucksweise von Wohlbefinden.) Das Stück schließt in der tristen Endstation solcher Mitglieder der Vorkriegsgesellschaft, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind: im nüchternen »Vernehmungszimmer im Berliner Polizeipräsidium« (III,21). Eigentlich also ein Ort des ›Weinens‹. Doch auch hier erschallt am Schluss das (freilich deutlich anders beschaffene) »Gelächter« des Schustergehilfen Voigt, der gleichfalls in einen Uniformrock schlüpft.
Als er sich darin jedoch erstmals im Spiegel erblickt, stößt er sein von Lachen begleitetes »Unmöglich!!« (III,21) aus. Derart kontrastierend sind nicht nur Anfang und Ende (also die Großstruktur) des Schauspiels verbunden, sondern jeweils auch die einundzwanzig Szenen und innerhalb der einzelnen Szenen die maßgeblichen Figuren. Und über alle szenischen Konstellationen hinweg kristallisieren sich immer wieder schlichte bis abgründige Lebenserfahrungen heraus. So impliziert Voigts (auch etwas unheimlich choreographiertes) Gelächter am Ausgang des Dramas durchaus absurde Einsprengsel, die auf Becketts vergeblich auf Godot wartende Estragon und Wladimir vorausweisen. (Hier ist zumindest ein Hinweis auf die einzige gewichtige – in der Zuckmayerphilologie nie erwähnte – künstlerische Umsetzung des Voigt-Coups angebracht: die Ballettoper in fünf Bildern, Preußisches Märchen, von Boris Blacher aus dem Jahr 1952. – Der Roman von Wilhelm Schäfer: Der Hauptmann von Köpenick, 1930 erschienen, darf der Trivialliteratur zugezählt werden.)
Doch zunächst soll am Beispiel der ersten Szene die Kleinstruktur, der kaum je beachtete Nuancenreichtum des Köpenick-Stücks, angedeutet werden. Noch bevor ein Wort gesprochen wird, ist der Zuschauer bereits komplett vereinnahmt von Preußens Gloria. Zu hören bekommt er den »Armeemarsch Nr. 9«, der zwar allmählich verklingt, doch »ferne Militärmusik begleitet die ganze Szene«. Zu sehen ist ein militärisches Panoptikum des Kaiserreichs. »Die Schaufenster sind mit einzelnen Uniformstücken, auch Helmen, Mützen, Säbeln, Lackreitstiefeln dekoriert«.
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