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Interpretation. Arthur Schnitzler: Lieutnant Gustl - Reclam Interpretation
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Interpretation. Arthur Schnitzler: Lieutnant Gustl - Reclam Interpretation
von: Wendelin Schmidt-Dengler
Reclam Verlag, 2000
ISBN: 9783159500508
18 Seiten, Download: 158 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

Der verschlampte Ehrenkodex

Das Schicksal hat es wieder gut mit Gustl gemeint; die Erfahrungen dieser einen und vermeintlich letzten Nacht aber haben keine kathartische Wirkung hervorgebracht: Gustl verhält sich so, wie wir ihn zu Beginn kennen gelernt haben, und, wie sein Jargon erkennen lässt, ist er noch schneidiger geworden. So gesehen ist der Bäckermeister umsonst gestorben; es wird alles beim Alten bleiben. Was Gustl im nächtlichen Selbstgespräch über sich in Erfahrung bringen konnte, ist vergessen; auch der radikale Ehrenstandpunkt, den er eingenommen hat, scheint relativiert. Denn Gustl weiß, dass er sich auf jeden Fall entleiben muss; er nimmt in seinen Gedanken mit einem in seiner Lage verständlichen Todeswunsch auch das Ende der Geschichte vorweg: »Und wenn ihn [sc. den Bäckermeister] heut nacht der Schlag trifft, so weiß ich’s . . . ich weiß es . . . und ich bin nicht der Mensch, der weiter den Rock trägt und den Säbel, wenn ein solcher Schimpf auf ihm sitzt!« (218) Aber von dieser Hypothek findet sich am Ende keine Spur; der Wille zum Leben hat gesiegt, und der Tod des Bäckermeisters erscheint als »Mordsglück« (235).

»Die Hauptsach’ ist: er ist tot, und ich darf leben, und alles g’hört wieder mein!« (236) Er hat nur noch ein Empfinden für die grotesk-komische Situation, in der er sich befindet: Er isst die Semmel, die der Bäckermeister noch vor seinem Tod gebacken hat: »Schmeckt mir ganz gut, Herr von Habetswallner!« (236) Einen Bürger als Edelmann anzureden, war im Wien des 19. Jahrhunderts Signal ironischer Vertraulichkeit, die sich der Bäckermeister von dem, den er einen »dummen Buben« (213) geheißen hatte, nun nach dem Hinscheiden gefallen lassen muss.

Aber am Ende deutet nichts darauf hin, dass Gustl der »Schimpf« noch bewusst ist, mit dem er nicht weiterleben zu können meinte. Die Annahme, dass Schnitzler hier eine Inkonsequenz unterlaufen wäre, ist nahe liegend, noch näher aber liegt die Annahme, dass damit viel eher durch den Autor indirekt und ohne überhaupt Worte zu machen, Gustls Inkonsequenz markiert werden soll. Indem Gustl diese Erinnerung an die Unerschütterlichkeit löscht, mit der er das Todesurteil annahm, tilgt er auch die Ambivalenz, mit der sein Charakter in dem ganzen inneren Monolog sich darstellte. Zugleich wird auch der Ehrenkodex fragwürdig, dem er sich zu unterwerfen genötigt sah. Ohne Bedenken entscheidet Gustl sich für das Weiterleben, und dadurch wird auch die Scheinhaftigkeit dieser Moral evident, in deren Zeichen Menschen ihr Leben einem Ehrbegriff opfern müssen, der im Geheimen ohne weiteres gebrochen werden kann.



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