1 Beschreibung der Störungen (S. 5-6)
1.1 Der Psychosebegriff
Wenn wir von psychotischen Störungen oder kurz „Psychosen“ sprechen, meinen wir jene Störungen, die im DSM-5 im Kapitel Schizophrenie-Spektrum und andere psychotische Störungen zu finden sind. Im ICD-10 werden sie unter F2 aufgeführt und beinhalten neben der Schizophrenie weitere Störungen wie die schizoaffektive Störung, die wahnhafte Störung und die kurze psychotische Störung. Es handelt sich bei Psychosen also um recht unterschiedliche Störungen. Innerhalb der psychotischen Störungen kommen die Schizophrenie und die schizoaffektive Störung am häufigsten vor. Die Grundlagenforschung ist jedoch oft nur auf die Störungskategorie Schizophrenie ausgerichtet. Viele der ätiologischen Erkenntnisse beziehen sich daher auf diese Störung und können nicht ohne Weiteres auf die anderen Spektrumsstörungen übertragen werden. Neuerdings richtet sich das Forschungsinteresse allerdings stärker auf einzelne Symptome wie Wahn, Halluzinationen oder motivationale Probleme, die über eng definierte Störungskategorien hinausgehen. Da die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen stark symptombezogen ausgerichtet sind, sind solche Forschungsansätze für die Weiterentwicklung der Therapie besonders wertvoll. Unserer Erfahrung nach hat man es in der ambulanten Praxis nicht nur mit Schizophrenie, sondern häufig auch mit schizoaffektiven oder kurzen psychotischen Störungen zu tun, seltener mit wahnhaften Störungen. Die Psychotherapieforschung zu Psychosen bezieht sich in der Regel auf Patienten mit diesen vier Störungen und bislang gibt es keine Hinweise auf besondere Therapieindikationen, in dem Sinne, dass die Therapieansätze z.?B. bei einer dieser Gruppen wirksamer wären als bei den anderen. Dementsprechend beschränken sich die Inhalte dieses Buches nicht auf Schizophrenie, sondern schließen das weitere Spektrum psychotischer Störungen ein.
1.2 Symptomatik
Auch innerhalb der psychotischen Störungen decken die Symptome ein breites Feld ab. Bei Schizophrenie reichen sie von Halluzinationen und Wahn über bizarres Verhalten und Störungen der Sprache bis hin zu Amotivation. Von diesen muss jedoch kein Bestimmtes, im Sinne eines Leitsymptoms, zwingend vorhanden sein. Bei der schizoaffektiven Störung kommen affektive Symptome hinzu. Um die Komplexität der vielen Symptome etwas zu vereinfachen, wird nach Störungsphasen (z.?B. akute psychotische Phase versus Residualsymptomatik) unterschieden. Ferner hat sich im Sprachgebrauch die Unterscheidung zwischen Positivsymptomatik und Negativsymptomatik durchgesetzt.
Merke: Positivsymptomatik soll verdeutlichen, dass zum normalen Erleben etwas hinzukommt (z. B. Wahnvorstellungen, Halluzinationen). Im Gegensatz dazu umfasst Negativsymptomatik Symptome wie Verflachung des mimischen Ausdrucks oder motivationale Probleme. Hier fehlt also etwas vom gesunden Erleben.
1.2.1 Positivsymptomatik
Wahnphänomene. Wahnphänomene sind ein „typisches“ Symptom der meisten psychotischen Störungen. Bei der wahnhaften Störung sind sie das Leitsymptom und bei Schizophrenie treten sie bei der überwiegenden Mehrheit der Betroffenen im Verlauf der Störung auf. Wahn ist nach DSM-5 definiert als „feste Überzeugung, die trotz gegenteiliger Evidenz nicht verändert werden kann“ (APA/Falkai et al., 2015, S.?118). Im Entstehungsstadium handelt es sich dabei oft eher um fixe Ideen oder überzogene Fehlinterpretationen. Diese können sich dann zu festen Wahnüberzeugungen oder einem komplexen Wahnsystem weiterentwickeln. Besonders charakteristisch ist Verfolgungswahn. Eng mit Verfolgungsideen verknüpft sind Beziehungsideen, bei denen zufälligen Begebenheiten und äußeren Ereignissen eine besondere Bedeutung für die eigene Person beigemessen wird. Prinzipiell kann jedes Thema wahnhaft verarbeitet werden, wenn auch bestimmte Themen, wie religiöse, politische, sexuelle und körperbezogene Wahninhalte, besonders häufig vorkommen und in der Regel einen klaren Bezug zur eigenen Person aufweisen. An wahnhaften Überzeugungen wird in der Regel auch bei der Konfrontation mit Gegenargumenten oder gegenteiligen Erfahrungen festgehalten. Ein rigides Festhalten an Überzeugungen ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal psychotischer Patienten. Auch gesunde Menschen können unverrückbar an politischen oder religiösen Überzeugungen festhalten. Zudem gibt es auch Beispiele für rigides Festhalten an Überzeugungen bei Patienten mit Depression oder anderen Störungen.
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