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Ratgeber Depression - Informationen für Betroffene und Angehörige
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Ratgeber Depression - Informationen für Betroffene und Angehörige
von: Martin Hautzinger
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2017
ISBN: 9783840928604
78 Seiten, Download: 2443 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: A (einfacher Zugriff)

 

 
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Leseprobe

1 Depression – Was ist das?

1.1 Von der trüben Stimmung zur Depression

Nicht jede traurige Verstimmung darf mit einer Depression gleichgesetzt werden. Trübe Gedanken gehören zum Alltag, sie vergehen auch schnell wieder. Eine Enttäuschung wird nach Tagen durch neue Erlebnisse verdrängt. Die Zeit heilt Wunden. Beim Verlust oder Tod eines nahen, geliebten Menschen ist die Trauer oft tief und länger anhaltend, oft ein ganzes Jahr. Wir können aber voraussagen, dass sich die Stimmung fast immer wieder aufhellt. Eine solche traurige Verstimmung, auch wenn sie momentan noch so tief sitzt, bezeichnen wir nicht als Krankheit.

Schwermut, Melancholie oder moderner „Depressionen“ sind häufige Störungen und ernsthafte Erkrankungen, die den ganzen Menschen betreffen. Sowohl seelische als auch körperliche Funktionen sind davon betroffen.

Die seelischen Veränderungen betreffen vor allem das Gefühlsleben. Positive Gefühle, wie Freude, Lust, Energie, Interesse, Zufriedenheit, Entspannung fehlen oder treten stark in den Hintergrund. Negative, unangenehme und schmerzhafte Gefühle bestimmen in einem nicht bekannten Ausmaß das Leben. Zu diesen negativen Gefühlen gehören Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Angst, Verbitterung, Einsamkeitsgefühl, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Sie wechseln ab mit Phasen der Erschöpfung, der Schwermut und der Leere, bei der sich die Betroffenen wie „eingemauert“, isoliert und innerlich wie tot vorkommen.

Eine Depression betrifft jedoch auch die Leistungsfähigkeit, das Denken, das Gedächtnis und das Urteilsvermögen. Betroffene klagen über Konzentrationsmangel, über Gedächtnisschwächen und Probleme, sich Ereignisse zu merken. Sie ermüden leichter, haben weniger Ausdauer und Kraft. Selbst bei Alltäglichkeiten fällt die Entscheidung oft schwer und das Urteilsvermögen ist eingeschränkt.

Verändert ist auch die Art und Weise, wie von Depression Betroffene sich selbst, ihre Angehörigen, ihre Lage, ihre Möglichkeiten und ihre Zukunft |9|sehen. Es dominiert Pessimismus, auch wenn es dafür keinen eindeutigen Grund gibt. Die Umwelt, oft auch die Angehörigen werden als fremd, bedrohlich und feindselig erlebt. Die eigene Person ist schlecht und hat Schuld auf sich geladen. Das eigene Leben erscheint als eine Kette von Misserfolgen und Niederlagen. Die Zukunft ist unsicher, unausweichlich voll mit Bedrohlichem. Daher erleben viele depressive Menschen auch Angst und Hoffnungslosigkeit.

Verändert sind auch der Antrieb, die Begeisterungsfähigkeit, das Interesse, das Berührtsein von Dingen und Erlebnissen und die Anteilnahme. Schwermütige ziehen sich zurück, haben keine Ziele und Wünsche mehr. Das Leben ist fade, freudlos und leer. Schlimmstenfalls sieht man im Weiterleben keinen Sinn mehr und will nicht mehr am Leben bleiben.

Besonders typisch für eine Depression sind zahlreiche körperliche Beschwerden. Betroffene leiden unter Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, einem Verlust von sexuellen Interessen und Empfindungen bei Sex, fehlendem Geschmacksempfinden, Druck und Enge in der Brust, Kopf- und Bauchschmerzen, Magen- und Darmbeschwerden, Kraftlosigkeit, Erschöpfung, Vergesslichkeit, Gereiztheit, Unruhe und ziellosem Getriebensein. Insbesondere im fortschreitenden Alter bestimmen diese körperlichen Beschwerden das Bild einer Depression.

Schlafstörungen sind oft die ersten Anzeichen einer Depression und müssen immer sehr ernst genommen werden. Zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit wachen depressive Patienten auf; in diesen frühen Morgenstunden wird die Depression als besonders schwer empfunden. Es ist das Morgentief der Depressiven. Der Schlafrhythmus ist bei ihnen gestört. Ein Zehntel der depressiven Patienten hat nicht zu wenig, sondern zu viel Schlaf. Die Ursachen für dieses Phänomen sind gänzlich unbekannt.

Appetitlosigkeit ist eine sehr häufige Begleiterscheinung der Depression. Wenn dann nicht zügig behandelt wird, kommt es manchmal innerhalb von wenigen Wochen zu drastischen Gewichtsabnahmen, was insbesondere bei älteren Menschen lebensgefährlich sein kann.

Ein wichtiger Komplex, der bei Depressiven eine große Rolle spielt, sind die Beschwerden und Schmerzen in allen Organen und Körperbereichen. Rund 60 Prozent der depressiven Patienten, vor allem Frauen, leiden daran. Am |10|häufigsten sind es Rücken- und Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Verdauungsprobleme: Sie treten bei Depressiven zwei- bis dreimal häufiger als bei Gesunden auf. Bei anderen Patienten verlagert sich der Schmerz in den Brustbereich oder gar ganz auf das Herz. Es treten neben Herzrhythmusstörungen zusätzlich Herzängste auf, die sich bis zur Panik steigern können. Als körperliches Symptom wird von Depressiven auch das allgemeine Krankheitsgefühl, das sich in Kraftlosigkeit, Energieverlust und Erschöpfung ausdrückt, empfunden. Oft verschlimmern sich unter einer Depression bereits vorhandene leichte körperliche Beschwerden, so etwa Rücken- und Nackenschmerzen oder Atembeschwerden.

Mit einer Depression einher geht der Verlust an Empfindungsfähigkeit und Interesse an Sexualität. Betroffene haben weniger oder gar keine Lust mehr auf Intimität, körperlichen Kontakt und Sexualität. Andere merken, dass sie bei der Sexualität weniger oder gar nichts mehr empfinden. Dies kann zu heftigen Störungen in Beziehungen und Ehen führen.

Viele dieser Gemütszustände, Stimmungen und Beschwerden kennen wir alle. Erst wenn mehrere dieser Beschwerden gleichzeitig auftreten, eine bestimmte Zeit lang dauern und eine gewisse Stärke überschreiten, werden sie zur Qual und zu einer Krankheit. Einzelne Symptome sind normale, natürliche Reaktionen auf Erfahrungen von z.?B. Verlust, Misserfolg, Enttäuschung, Belastung, Zeiten der Ziellosigkeit, der Einsamkeit oder der Erschöpfung.

Robert Burton hat die Schwermut in seinem Buch mit dem Titel „Anatomie der Melancholie“ bereits 1621 ausführlich beschrieben. Er war Theologe in Oxford und trug alles zusammen, was man damals aus Medizin, Philosophie, Dichtung und Theologie über die Schwermut wusste. Der Mensch kann dieser Melancholie, die sich in der Seele so fest einnistet, nicht entkommen – das ist seine Botschaft. Es ist zwar ein langer Weg von Burtons „Melancholie“ bis zum heutigen Verständnis von „Depression“, doch in der Unterscheidung normaler, sich wieder verflüchtender „Traurigkeit“ und dem krankhaften Zustand der „Depression“ hat er auf eine auch heute noch gültige Grenze hingewiesen. Wann und wodurch die Grenze zwischen diesen normalen Reaktionen und den als klinisch auffällig betrachteten Symptomen überschritten wird, ist noch immer eine ungelöste Frage.



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