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Interpretation. Franz Kafka: Die Verwandlung - Reclam Interpretation
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Interpretation. Franz Kafka: Die Verwandlung - Reclam Interpretation
von: Michael Müller
Reclam Verlag, 2009
ISBN: 9783159500201
22 Seiten, Download: 155 KB
 
Format:  PDF
geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop

Typ: B (paralleler Zugriff)

 

 
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Leseprobe

Auffallend ist, dass Gregor, nachdem er seine Verwandlung als Realität akzeptiert hat, sich bei keiner Gelegenheit Gedanken darüber macht, welches der Grund für seine ungeheuerliche Metamorphose ist. Seine Frage lautet eben nur »Was ist mit mir geschehen?« und nicht »Warum ist dies mit mir geschehen?« Man könnte auch sagen, dass er seine Verwandlung, das Faktum, dass er zum Tier geworden ist, nicht interpretiert.

Auf die Erforschung des Grundes für die Verwandlung richtet sich aber der Erkenntnisdrang der meisten Interpreten des Textes – wenn sie nicht den Ausweg wählen, den der Held mit seinen Reflexionen zu Beginn des Textes selbst anbietet, das heißt, die Tierwerdung als etwas betrachten, das sich nicht real zugetragen hat, sondern das nur in der Phantasie des Opfers existiert. Bisweilen scheint dies eine bequeme Methode zu sein, mit dem rätselhaften Text ›fertig‹ zu werden: »Kafka erzählt in Die Verwandlung, wie ein Reisender verrückt wird, erzählt davon, indem er sich in den verrückt werdenden Menschen versetzt.«

Die überwiegende Mehrheit der berufsmäßigen Interpreten, die sich in den vergangenen sieben Jahrzehnten mit der Geschichte befassten, versucht jedoch die Vorgeschichte, die auf die Verwandlung hinführt, zu rekonstruieren. Sie sieht die Verwandlung als ein Glied in einer logischen Kette, deren Anfang man kennen muss, um die Bedeutung der Metamorphose – und damit die Bedeutung der ganzen Geschichte – begreifen zu können. Der Psychologe Hellmuth Kaiser beispielsweise fasste die Verwandlung als – von Kafka halb unbewusst vorgenommene – Versinnbildlichung eines inneren Prozesses auf, der vor dem Einsetzen der Erzählung begonnen hatte:

[. . .] die Verwandlung des Sohnes [bedeutet] – psychologisch betrachtet – kein äußeres Ereignis, sondern einen inneren Wechsel der Triebrichtung. Sie ist eine Art Selbstbestrafung für das vorausgehende, gegen den Vater gerichtete Konkurrenzstreben, ein Sich-Zurückziehen aus der anspruchsvollen genitalen Position.

Kaiser stellt also den Zusammenhang zwischen der Erzählung Kafkas und der Tradition der Verwandlung als Strafe her. Daraus ergeben sich aber für ihn wie für alle anderen, die einen Nexus zwischen der Metamorphose und einem vorangegangenen Fehlverhalten des Protagonisten vermuten, Schwierigkeiten, die sich nur durch eine äußerst sophistische Argumentation, die gewisse Leerstellen im Text auffüllt, überwinden lassen. Aus den Überlegungen Gregors, die dem Leser enthüllen, was sich vor der Verwandlung zugetragen hat, geht nämlich nicht hervor, welches eigentlich sein Verbrechen gewesen sein könnte. Kaiser gibt zu: »Das Wort ›Strafe‹ scheint nicht angemessen zu sein, da doch der Sohn nichts anderes getan hat, als was ein reges Verantwortungsgefühl für die Familie einem jeden an seiner Stelle vorgeschrieben hätte.



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