II
Hier könnte die Analyse des Textes zu Ende sein. Es gibt indes zwei Meta-Ebenen, auf denen die angeschnittenen Probleme weiterverfolgt werden können: die per sönl ichbiographische und die politisch-historische. Obwohl beide Anderschs Text transzendieren, gehören sie dazu, weil Andersch sie dem Text eingeschrieben hat: durch die Perspektivfigur Kien, sein Alter Ego, und durch den ominösen Titel.
Schon früh wurde der Vorwurf gegen Andersch geäußert, seine Erzählung bringe die Leser auf den Gedanken, »der Pädago-Sadismus des Vaters« sei wahrscheinlich mit daran schuld, »daß der Sohn zum uniformierten Massenmörder« wurde. Tatsächlich aber sei Gebhard Himmler mit dem Etikett »Vater eines Mörders« nicht zutreffend charakterisiert; eher treffe da schon die Umkehrung zu, Andersch sei der »(Ruf-)Mörder eines Vaters«. Walter Hinck hat diesen Vorwurf der Denunziation apologetisch erörtert:
Der denunziatorische Titel ist der Hebel, mit dem ein ganz wesentliches Moment dieser Erzählung erst ins Werk gesetzt wird, nämlich die nicht nur nachvollziehende, sondern produktive Eigenleistung des Lesers: Nachdenken über (nicht offen zutage liegende) politisch-historische und geistesgeschichtliche Zusammenhänge, Selbstbefragung.
Erzähltechnisch gesehen, trifft dieser Sachverhalt zweifellos zu. Angesichts einer solch schwer wiegenden Beschuldigung ist allerdings die Frage nach der moralischen Legitimation berechtigt. Andersch selbst hat im Nachwort den Vorwurf der Denunziation zurückgewiesen: Niemand soll denken, er habe »die Sippe der Himmlers behaftet« (135). Dieses Diktum soll die zu erwartenden Einwände prophylaktisch entkräften. Es handelt sich jedoch eher um ein taktisches als um ein sachliches Argument; denn just dieser Vorwurf ist es ja, den Andersch mit seinem (sensationslüsternen) Titel insinuiert, mit dem er den Vater für den missratenen Sohn verantwortlich macht.
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